georg baselitz
die grosse nacht im eimer, 1962/63
oil on canvas, 250 x 180 cm
while the others are dancing,
today’s sensor review spotlight is on:
© georg baselitz
only the strong survive, that way georg baselitz’s unruly nature in his youth expresses itself through expulsions from art schools or the confiscation of his indecent works by the public prosecution service. in this spirit, the artist’s deliberate audacity in the late 1960s permanently turns the motifs of his works upside down, and the first viewer is faced with the choice of contemplating abstraction, although tempted to reverse this artistic inversion. abstract or not, now the crowds flock in and secretly turn their heads—baselitz becomes an insider tip. this artistic gesture can be interpreted in many ways; in the mystically playful world of tarot, the figure hanging upside down by the feet symbolizes confusion—though, due to the crossing of his legs, it also represents stability. george r. r. martin approaches this idea quite differently; in his ‚game of thrones‘ saga, the form of the casually staged, upside-down hanging fool transitions into the flayed version of the inverted crucified, with ramsey bolton bringing terror into the parlor.
born into the chaos of a soon-to-begin, six-year-long war driven by a national socialist cramp structure—a regime that aimed to last a thousand years, shamelessly stolen from the romans and their successors, but ends in the shabbiest way—the future painter learns the true meaning of misery and filth, and can not help but choose this deep rift as his palette. what once aimes to spray skyward now drips downward; that’s the way of things when the canvas is given a 180-degree twist. everything is upside down, including the art world—they call it audience provocation, just without the sound. well done, hans-georg kern, known as baselitz; that was half the battle. the next episode, the game changer, comes unexpectedly, and a whole generation of not only german concept art-traumatized brush-wielders elevates the painter to an icon. the turpentine and acrylic-scented aura of the newly crowned hero of imagery poures into the trendiest studios.
while the master’s epigones, or rather their materials, slowly flake off the museum walls, baselitz’s career remains untangled. everyone matures at their own pace, and the painter creates his own remixes, as fewer of his caliber still stand firm at their easels. the east-west german diva, with her hard-to-digest, history-laden breasts, is coy in granting her affection, but with baselitz, she is gentle, allowing him to age gracefully over the millennium. the weighty urgency of his early years, that biting, post-pubescent mockery, evolves into a more relaxed stance in sketch-like, less material-laden reinterpretations of old thematic cycles. world history continues to leave burning landscapes, and the so-called heroes within them are always dull and naked. however, the inherent gravity of the scene no longer requires the clearly condensed browning in the mixing of the colors.
iir, january 2025
Nur die Harten kommen in den Garten, und so drückt sich Georg Baselitz’ ungestümes Wesen in jungen Jahren durch Kunsthochschulverweise oder staatsanwaltliche Beschlagnahmungen seiner unflätigen Werke aus. Ganz in diesem Sinne dreht des Künstlers wohlüberlegter Übermut Ende der 60er Jahre die Motive seiner Werke für immer auf den Kopf, und schon steht der erste Betrachter vor der Wahl, über Abstraktion sinnieren zu müssen, obschon er eifrig versucht ist, diese kunstvolle Drehung wieder umzukehren. Abstrakt oder nicht, nun strömt das große Publikum heran und verdreht heimlich den Kopf – Baselitz wird zum Geheimtipp. Dieser künstlerischen Geste kann viel zugedeutet werden; in der mystisch verkaspernden Welt des Tarot gilt der an den Füßen aufgezurrt Hängende als Sinnbild für Verwirrung – durch die Verschränkung seiner Beine allerdings ebenso für Stabilität. Ganz anders gestaltet George R. R. Martin diese Idee: In seiner „Game of Thrones“-Saga tritt die Form des lässig inszenierten, kopfüber gehängten Narren über in die gehäutete Version des umgekehrt Gekreuzigten, der Schrecken betritt mit Ramsey Bolton die gute Stube.
In die Wirren des bald beginnenden, sechs Jahre währenden Krieges einer nationalsozialistischen Krampfkonstruktion hineingeboren, dessen tausend Jahre während Wollendes, den Römern und deren konstituierten Nachfolgern schal entwendetes, schäbigstes Ende den zukünftigen Maler den wahren Sinn von Elend und Dreck lehren wird, kann Baselitz nicht anders und wählt diesen tiefen Riss zu seiner Palette. Was vormals himmelwärts zu spritzen gedenkt, tropft nun nach unten, das ist der Lauf der Dinge, so man der Leinwand den 180-Grad-Kick verpasst. Alles steht auf dem Kopf, so auch die Kunstwelt, man nennt das Publikumsbeschimpfung, nur eben ohne Sound. Gut gemacht, Hans-Georg Kern, genannt Baselitz, das war schon mal die halbe Miete. Die jetzt folgende Episode, der Game-Changer, tritt unverhofft ein, und eine ganze Generation, nicht nur deutscher konzeptkunst-traumatisierter Pinselschwinger, erhebt den Maler zur Ikone. Das balsamterpentin/acryl-gemischte Odeur des neu gekrönten Bilderhelden ergießt sich in die angesagten Studios.
Während des Meisters Epigonen beziehungsweise deren Malmaterialien an den musealen Wänden langsam herabblättern, zieht Baselitz’ Karriere keine Fäden. Jeder wird in seinem eigenen Tempo erwachsen und der Maler erstellt selbst seine eigenen Remixe, denn immer weniger seines Kalibers stehen noch standhaft vor ihrer Staffelei. Die ost-westdeutsche Diva mit ihren schwer verdaulichen, geschichtsschwitzenden Brüsten gibt sich geziert in der Vergabe ihrer Zuneigung, bei Baselitz allerdings ist sie milde und lässt ihn würdig über die Jahrtausendwende hinweg ergrauen. Die schwanzschwere Dringlichkeit seiner Anfänge, diese bissig vorgetragene, postpubertäre Häme, erfindet sich eine gelassenere Haltung in skizzenhaften, weniger materialbeladenen Neuinterpretationen alter Themenzyklen. Die Weltgeschichte hinterlässt weiterhin brennende Landschaften und die sogenannten Helden darin sind immer dumpf und nackt. Die immanente Schwere der Szenerie allerdings bedarf nicht mehr der eindeutig verdichtenden Bräunung in der Anmischung des Couleurs.
iir, january 2025