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philip grözinger
the diary, 2020

pencil and colored pencil on paper, 21 x 30 cm

while the others are dancing,
today’s sensor review spotlight is on:

philip grözinger

© philip grözinger

en
de

when men are left alone for too long, they generally transform into sad, strangely wondrous children—still able to manage their daily tasks, but lacking energy and fading vision. in cinematic portrayals, this image typically becomes for the viewer a draining game with time, whether set in the present as a sort of robinsonade or transferred to the distant future. tom hanks embodies the stranded hero in both cases, and our concerned sympathy follows him with goodwill in ‚cast away‘ and ‚finch‘. the lonely protagonist also appears in ‚2001: a space odyssey‘ or ’silent running‘, though in hanks‘ case, our hopeful desire for a soon-to-come, happy ending wraps much more tightly around the eternal youth. with the actual catastrophe still far away, we nestle into the comforting belief that ‚everything will be fine.‘ but then, what must come comes—a pandemic of unimaginable proportions engulfs the world. nearly five years later, we naively and with a hint of shock realize that we neither want to remember our recent crisis properly nor can we convincingly tell ourselves that we have truly learned anything from it—after all, this horror will never repeat itself—never.

on the occasion of this scenario with an outcome still unforeseen at the time, monopol magazine praises philip grözinger for his efforts to record his daily impressions of dealing with himself and a temporarily locked-away outside world in a diary-like manner. for a month, the artist places his otherwise extremely active alter ego into a protective suit and, in a chamber play-like manner, has it explore the cultural and civilizational fringes of his own self. all formative archives are raided, the boxes dragged out like a child, and from the wild combination of the artist’s inspiring sources, a thread of solitary occupation unravels over these four weeks. fiction, philosophy, comics, film, art history, and fellow artists weave together into a comforting, stabilizing lifeline for the future-uncertain artist—grözinger is a man of education, so he has much, very much to intertwine. 36 drawings ultimately testify to how humanity continues to spin in the seemingly endless loop of self-occupation, without further concept of time.

one of the most foolish phrases, ‚what remains of the day,‘ morphs into the fear of the horror vacui, and so we accompany grözinger’s small representative on this sheet as he contemplates jean-luc godard’s rather modest nouvelle vague film, ‚le mépris.‘ the somewhat uninspiring film about filmmaking is filled with the unfolding scenes of a marital crisis, culminating in a banal wordplay about the woman’s body parts. eventually, the woman dies, and so does the film, shot partly in the beautiful villa malaparte. finally, brigitte bardot and michel picolli can return to making better films. in this double layering—we see a film about a film and watch someone watching—the artist’s brilliant narration lies. a cinematic reflection on a possibly leaden past, amidst a future-lost present, underscores the stark panic of the moment, from which we will only know much later what remains.

iir, october 2024

Wenn man Männer allzu lange alleine lässt, verwandeln sie sich in der Regel in traurig wundersame Kinder – wohl noch in der Lage, ihre täglich anfallenden Aufgaben zu meistern, aber mit mangelndem Elan und schwindender Vision. In der filmischen Umsetzung gerät dieses Bild für den Zuschauer auch in der Regel zu einem kräftezehrenden Spiel mit der Zeit, ob als Robinsonade im Jetzt angelegt oder transferiert in eine ferne Zukunft. Tom Hanks verkörpert den gestrandeten Helden in beiden Fällen, und unsere besorgte Teilhabe begleitet ihn wohlwollend in Cast Away und Finch. Der einsame Protagonist findet sich auch in 2001 – Odyssee im Weltraum oder Lautlos im Weltall. Im Falle Hanks allerdings wickelt sich unsere sehnsüchtige Hoffnungsdecke mit dem Ziel auf ein baldiges, finales Happy End viel eher um den ewigen Jungen. Die tatsächliche Katastrophe in weiter Ferne, kuscheln wir uns ein mit dem Wissen: „Alles wird gut.“ Und nun kommt, was kommen muss: Eine Pandemie ungeahnten Ausmaßes umhüllt die Welt. Knapp fünf Jahre später stellen wir mit Überraschung spielender Naivität entsetzt fest, dass wir uns weder richtig an unsere kürzlich durchlebte Krise erinnern mögen, noch uns selbst glaubwürdig vormachen können, aus dieser wirklich etwas gelernt zu haben – schon allein, weil sich dieser Horror niemals wiederholen wird – niemals.

Anlässlich dieses Szenarios mit damals noch ungeahntem Ausgang lobt das Monopol Magazin Philip Grözinger für seine bemühungen, die täglichen Impressionen im Umgang mit sich und einer auf Zeit weggeschlossenen Außenwelt tagebuchartig aufzuzeichnen. Einen Monat lang steckt der Künstler sein ansonsten äußerst umtriebiges Alter Ego in einen Schutzanzug und lässt diesen kammerstückgleich die kulturellen und zivilisatorischen Troddeln seines Selbst bespielen. Alle prägenden Archive werden geplündert, die Kisten kindergleich herausgezerrt, und aus der wilden Kombination der inspirierenden Quellen des Künstlers strickt sich ein über diese vier Wochen hinziehender Faden der einsamen Beschäftigung. Belletristik, Philosophie, Comics, Film, Kunstgeschichte und Künstlerkollegen verweben sich zur beruhigend fixierenden Halteleine des zukunftsungewissen Zeichners – Grözinger ist ein Mann der Bildung, also hat er viel, sehr viel ineinander zu verstricken. 36 Zeichnungen zeugen schließlich davon, wie sich der Mensch ohne weitere Zeitangabe in der unendlich erscheinenden Schleife der Selbstbeschäftigung weiterdreht.

Eine der närrischsten Floskeln, „was vom Tage übrigbleibt“, verwandelt sich in die Angst vor dem Horror Vacui, und so dürfen wir auf diesem Blatt Grözinger aka seinen kleinen Repräsentanten bei der Betrachtung des Nouvelle-Vague-Helden Jean-Luc Godards eher bescheidenen Streifen Le Mépris begleiten. Der etwas anregungsarme Film über das Filmemachen ist durchsetzt mit den sich spreizenden Szenen einer Ehekrise, die sich in einem lapidaren Wortgeplänkel um die Körperteile der Frau gipfelt. Schließlich stirbt die Frau, der Film, zum Teil in der wunderbaren Villa Malaparte gedreht, dann endlich auch, und Brigitte Bardot und Michel Piccoli dürfen wieder bessere Filme machen. In der zweifachen Dopplung – wir sehen einen Film über einen Film und betrachten einen Betrachtenden – liegt des Zeichners bavouröse Narration. Ein cineastischer Rückblick auf eine möglicherweise eher bleierne Vergangenheit inmitten einer zukunftsverlorenen Gegenwart unterlegt die blanke Panik des Momentes, von dem man mit Sicherheit erst sehr viel später wissen wird, was davon übrigbleibt.

iir, october 2024