/* social media icon in der menueleiste anzeigen */
iir sensor logo

robert rauschenberg
erased de kooning drawing, 1953

traces of drawing media on paper with label hand-lettered in ink & and gilded frame, 64.1 x 55.2 cm

while the others are dancing,
today’s sensor review spotlight is on:

robert rauschenberg

© robert rauschenberg foundation

en
de

robert rauschenberg visits willem de kooning’s studio and receives a drawing as a gift. he erases the graphic, his partner jasper johns labels and frames the result, and an astonished public is presented with the act as a new work of art. the thorny question of whether this represents patricide—a substitution—or whether rauschenberg considers himself equal to de kooning—a parity, then—is answered with a clear “both,” despite the inherent contradiction between these terms. patricide, an unspeakably heinous act, was punished until the early modern period by “poena cullei”—the guilty party endured several rounds of whipping before being sewn into a sack alongside snakes, scorpions, or less venomous creatures, and then thrown into a river or the sea. in comparison, the image of a crucifixion seems like a sunny holiday along the pre-tourist shores of the mediterranean.

at this time, rauschenberg experiments with white, monochromatic works. building on his 1951 white paintings series, the artist attempts to capture the process of reduction through removal—specifically erasure—using his own drawings, but without success. self-negation proves insufficient, leading him to persuade de kooning to let him complete this conceptual act on one of de kooning’s own works. given the stature of de kooning as a leading figure of abstract expressionism, the initial question seems unnecessary, and yet… isn’t the true conceptual triumph in the moment the younger artist convinces the older one to permit a reworking of his art by erasing it? art historians, meanwhile, struggle to find the right archival categorization—is this a neo-dadaist action, or are we witnessing a sly caricature of action painting through mechanized gestures?

in automobile tire print, a six-and-a-half-meter-long piece created in 1953, rauschenberg’s inventive artistic instincts and immense capacity for improvisation shine through. his friend john cage drives a ford model a through fresh ink and transfers the liquid from the tires onto paper. piero manzoni’s lineaseries finds its origins here, though manzoni’s lines are significantly longer. no matter—no other artist appears in photographs with such a wide, shameless grin as rauschenberg. the king likely appreciates the jester for this among other reasons. what sends us into fits of laughter is this anecdote: had de kooning refused the requested gift and the announced follow-up act, rauschenberg once claimed, he would simply have turned the situation into a performance. what a character—think, act, done.

iir, november 2024

Robert Rauschenberg erhält anlässlich eines Besuchs im Studio Willem de Koonings eine Zeichnung geschenkt. Er radiert die Grafik aus, sein Partner Jasper Johns beschriftet und rahmt das Ergebnis, und einer erstaunten Öffentlichkeit wird die Tat als eigene Arbeit präsentiert. Der heiklen Frage, ob wir hier von Patrizid sprechen, einer Ersetzung, oder ob Rauschenberg sich ebenbürtig zu de Kooning wähnt, einer Gleichsetzung also, folgt ein klares “sowohl als auch”, trotz der Unvereinbarkeit beider Begriffe. Vatermord, eine unerhört schändliche Tat, wird bis in die frühe Neuzeit mit Säckung bestraft – der Schuldige erfährt ein paar Runden die schneidende Pein der Peitsche, um dann zusammen mit Schlangen, Skorpionen oder weniger giftigen Haustieren in einen Sack eingenäht zu werden. Nicht schon desaströs genug, wird das sich mit Sicherheit in wilder Panik befindliche Konstrukt in Fluss oder Meer versenkt. Das Bild einer Kreuzigung erscheint hierzu wie ein sonniger Urlaub an vortouristischen Gestaden des Mittelmeers.

Rauschenberg experimentiert zu dieser Zeit mit weißen, monochromen Arbeiten. Ausgehend von seiner 1951er White Paintings-Serie versucht der Künstler anhand eigener Zeichnungen, den Prozess der Reduktion durch Abtragung – in diesem Falle Ausradierung – zu fassen, aber ohne Erfolg. Die Selbstnichtung erscheint nicht zielführend genug und bringt ihn dazu, de Kooning zu überzeugen, die konzeptionelle Tat anhand einer seiner Werke vollenden zu dürfen. Im Wissen um das Wissen eines der führenden Vertreter des abstrakten Expressionismus erübrigt sich die eingangs geführte Überlegung, und doch: Besteht die eigentliche konzeptionelle Großtat nicht in dem Moment, in dem der Jüngere den Älteren überzeugt, diesen quasi zu überarbeiten, indem er dessen Werk auslöscht? Die Kunstgeschichte hingegen sucht händeringend die zutreffend archivarische Kategorisierung – handele es sich hier um eine neo-dadaistische Aktion oder verfolgen wir einen Action Painting süffisant karikierenden Anwurf mechanisierter Gestik?

In der ebenfalls 1953 erstellten, sechseinhalb Meter langen Arbeit Automobile Tire Print zeigt sich Rauschenbergs überaus findiger künstlerischer Verhaltensimpuls und seine immense Fähigkeit zur Improvisation. Sein Kumpel John Cage überfährt mit einem Ford Model A eine Fläche frischer Tusche, um dann die auf den Reifen haftende Flüssigkeit auf Papier wieder abzudrucken. Piero Manzonis Linea-Serie findet hier ihren Ursprung, ist aber deutlich länger. Egal, kein Künstler präsentiert auf fast allen ihn abbildenden Fotografien ein so breites, unverschämtes Grinsen wie Rauschenberg. Der König mag den Narren unter anderem auch deshalb. Und was uns das schallende Lachen geschwind aus dem Halse treibt, ist folgende Anekdote: Hätte de Kooning die erbetene Schenkung samt angekündigter Folgetat abgelehnt, so Rauschenberg, hätte er aus der Szene einfach eine Performance gemacht. Was ne Type: denken – machen – fertig.

iir, november 2024