cornelia schleime
see you, 2015
watercolour and ink on laid paper, 113 x 93 cm
while the others are dancing,
today’s sensor review spotlight is on:
© cornelia schleime
authors who work in commentary, opinion pieces, or the feuilleton are generally eager to express opinions based on verified facts. however, as illustrated by the example “the glass being half full or half empty“, the perspective chosen plays a decisive role in shaping the content created. this logical approach, inherent of journalism, proves tricky when applied to the field of visual arts. typically, artists’ verbal expressions serve as purposeful supplements to their works. alongside these come mystifying cryptologists, grandiose arm-wavers, and simple, charming eccentrics who, with their individual choices of facial expressions and gestures, find ways to enrich the art market—and themselves—sometimes under generous applause. ideas scatter like startled birds when reading interviews and statements by the painter cornelia schleime.
like an urban sketch artist, she offers us insights into the populace of her internal landscape. acquaintances, relatives, friends—these terms dissolve in the artist’s translating hand, from mind to the often-wet paper. “i like puddles,” she confides with a smile, though we can only imagine it, since we read her words in print. the interviewer patiently probes the edges of these events and quickly finds them. schleime dislikes smooth paper, conceptual art, and above all, any restrictions on her person. the swelling waves of her rejection intensify like a red giant collapsing into a white dwarf, contrasting sharply with her artistic work. focusing solely on pure figuration, without any narrative fuss, her work either highlights portraits, as in see you, or depicts women in various situational activities. it is pure in itself, evoking a faint sense of a youthful, openly playful character.
in her affectionate treatment of charades and masquerades—even the exposure of female vulnerability may be understood this way—schleime’s work reveals a carefree, fascinating stage, brilliantly executed in her drawing style. the male world sometimes makes a small appearance, as tolerated solid figures behind their agitated, pressurized primary organs, but their deeper relevance is of comedic, marginal importance. schleime’s spirited and outspoken nature shows a reverse side of her artistically brilliant coin, which finds liberating release precisely through this alternation of charge and discharge. her fury—against stupidity, the art market, or the bentleys of her peers—doesn’t seek refuge in subtle irony, and yet, when the coin is tossed in the air, the rapid blend of both sides reveals a reconciled, comprehensible third.
iir, november 2024
Autoren, die sich in den Bereichen Kommentar, Glosse oder dem Feuilleton bewegen, sind in der Regel darauf erpicht, auf geprüften Fakten aufbauende Meinungen zu äußern. Hierbei ist allerdings, wie am Beispiel „das Glas ist halb voll oder halb leer“ gut vermittelbar, wie die jeweilige Betrachtungsweise entscheidend für den zu erstellenden Inhalt steht. Diese für den journalistischen Bereich logische Herleitung entpuppt sich als knifflig, sucht man sie in den Bereich der bildenden Kunst zu übertragen. In der Regel sind von Künstlern getätigte, sprachliche Äußerungen zielführende Ergänzungen zu deren Werken. Dazu gesellen sich mystifizierende Kryptologen, großspurige Armwedler und simple, charmante Spinner, die mit ihrer individuellen Wahl von Mimik und Gestik den Kunstmarkt und sich zu bereichern wissen – zuweilen unter gnädigem Applaus. Die Gedanken fliegen auf wie erschrockene Vögel beim Durchblick von Interviews und Selbstaussagen der Malerin Cornelia Schleime.
Einer Stadtzeichnerin gleich, gibt sie uns Einblick in die Bevölkerung ihrer inneren Topographie. Bekannte, Verwandte, Freunde – Begriffe zerfließen in der umsetzenden Hand, vom Kopf auf das gern feuchte Papier. „Sie mag Pfützen,“ gibt sie lächelnd preis, aber das Lächeln imaginieren wir nur, denn wir lesen einen schriftlichen Dialog. Der Interviewer tastet geduldig nach den Rändern der Geschehnisse und wird rasch fündig. Schleime mag kein glattes Papier, keine konzeptionelle Kunst und vor allem keine Einschränkung ihrer Person. Die aufbrausenden Wellen ihres Ablehnungsapparates verdichten sich wie ein roter Riese zu einem weißen Zwerg und stehen im krassen Gegensatz zu ihrer künstlerischen Arbeit. Das sehr auf die reine Figuration fokussierte Werk Schleimes, das gänzlich ohne narrativen Firlefanz räumlicher Plapperei entweder das Porträt thematisiert, wie in „See You“, oder Frauen in mannigfaltig situativen Tätigkeiten abbildet, ist in und mit sich im Reinen und lässt eine vage Vorstellung eines jungen, offen spielerischen Charakters entstehen.
Im liebevollen Umgang mit Scharaden und Maskeraden – auch die Entblößung der weiblichen Scham darf so verstanden werden – zeigt das Werk Schleimes eine unbeschwert faszinierende und zeichnerisch brillant inszenierte Bühne. Die männliche Welt darf bisweilen auch einen kleinen Auftritt erfahren; als geduldete Festkörper hinter ihren agil druckbefüllten, primären Geschlechtsorganen ist ihr tieferer Belang allerdings von komödiantisch marginaler Bedeutung. Schleimes aufgewühlt-mauliges Wesen zeigt eine Rückseite ihrer künstlerisch glänzenden Medaille, die gerade durch den Wechsel von Auf- und Entladung ihre erlösende Befreiung erfährt. Das Mana der Wut – über die Dummheit, den Kunstmarkt oder die Bentleys der Kollegen – sucht keine Zuflucht in feiner Ironie, und doch: Schnippt man die Medaille in die Luft, erscheint in der raschen Überblendung beider Seiten ein versöhnliches, verständliches Drittes.
iir, november 2024