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damien hirst
a thousand years, 1990

steel, glass, flies, maggots, mdf, insect-o-cutor, cow’s head, sugar, water, 213 x 427 x 213 cm

while the others are dancing,
today’s sensor review spotlight is on:

damien hirst

© damien hirst

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the question of what art is has been asked for so long that it’s become almost tedious, yet what it consists of is surprisingly new. the division between animal and insect is clear only until the moment an ecological awareness, gently spreading among people, transforms the role of once-reviled species into one of utility—what was an annual summer annoyance of stinging bites shifts into a vague understanding. thus, the useful insect is born, now irreplaceable in its role as a guarantor of natural balance. it’s no wonder, then, that the reception of the work a thousand years has gradually shifted over the three decades since its debut. a museum in wolfsburg now wants to replace the living larvae and flies in hirst’s work with artificial ones. in 2022, the threat that the art work may never again be displayed publicly if this request is ignored looms over damien hirst’s thinning fame.

hirst’s work is a laboratory of roughly 19 cubic meters. the life cycle of flies serves as its artistic subject. behind escape-proof blue glass, viewers, struggling to suppress rising nausea, witness the life and death of an ostensibly lowly species. recognizing a threat and avoiding it rarely works as a forward-looking strategy. in 1990, it is not foreseeable that PETA, championing animal rights, will not only challenge this artist-directed cycle of fly life but actually win the battle. however, the truly pungent seasoning of this situation comes not from generational differences in the definition of dignity, but rather from reputation-conscious, cowardly evasion by institutional uncertainties. thus, hirst’s cube scenario joins the toxin section of the museum’s storage rooms, where it will encounter a number of some more works, whose long-standing baffling effect whether the reevaluation is no less than that of a thousand years.

hirst’s complexity is often pondered, but in essence, he has managed, like many before and after him, to turn cheeky banalities into marvels at just the right time. when the trick, the prestigio, is too blatantly exposed, the artist’s reputation dips, for we wish to be deceived, but without being involved so in public. with the title of his work, the artist encroaches on the concept of eternity—a concept that has already choked more than a few political structures, once imagined as empires. ultimately, the moon pulls the oceans in slow movements, back and forth, and the moment may come when the daring free fall, naked or shrouded in flies, reveals the ephemeral foolishness of the submissive bow to the zeitgeist that precedes it. larvae develop into flies, die, and then become food for their offspring—a brilliant, immediately understandable metaphor, but sadly one that is hardly representable with insects made of immobile, lifeless plastic.

iir, november 2024

Die Frage, was Kunst sei, ist so alt wie langweilig. Woraus sie allerdings zu bestehen hat, ist erstaunlicherweise ein neuer Topos. Die Trennung zwischen Tier und Insekt ist eindeutig – genau bis zu dem Moment, in dem ein sich in der Bevölkerung behutsam verbreiterndes ökologisches Bewusstsein die Rolle der einst verfemten Gattung in die einer nützlichen überträgt. Aus dem alljährlichen Sommerärger verstochener Missmut entwickelt sich ein vages Verständnis – das Nutztier Insekt ist geboren, unersetzbar in seiner Rolle als Garant einer stabilen, natürlichen Ausgewogenheit. So ist es wenig verwunderlich, dass sich die Rezeption der Arbeit A Thousand Years in den drei Jahrzehnten seit ihrer Erstpräsentation langsam wandelt. Ein Wolfsburger Museum will schließlich die lebendigen Larven und Fliegen in Hirsts Arbeit durch künstliche ersetzt sehen. Die Drohung, bei Nichtbeachtun das Kunstwerk nie wieder öffentlich zu zeigen, hängt 2022 über Damien Hirsts dünner werdendem Ruhm.

Hirsts Arbeit ist ein ca. 19 Kubikmeter umfassendes Laboratorium. Der Lebenszyklus von Fliegen ist künstlerisches Thema. Hinter fluchtsicherem, blauem Glas bestaunt der gegen aufsteigenden Würgereiz ankämpfende Betrachter Werden und Vergehen einer vermeintlich niederen Gattung. Man sieht die Gefahr und weicht ihr aus, funktioniert selten in Hinblick auf die Zukunft. 1990 ist nicht voraussehbar, dass die PETA, eintretend für die Rechte von Tieren, dem unter künstlerischer Direktion inszenierten Lebenskreislauf der Fliegen nicht nur den Kampf ansagt, sondern diesen auch gewinnt. Die tatsächlich scharfe Beiwürzung der Situation allerdings resultiert nicht aus generationsbedingter, unterschiedlich gehandhabter Definition von Würde, vielmehr im reputationsängstlichen, feigen Wegducken institutioneller Unsicherheiten. Hirsts Kubusszenario reitet also ein in die Giftsektion der musealen Asservatenkammer und wird dort auf einige weitere Exemplare stoßen, deren anhaltend baffe Verwunderung ob der Umwertung der von A Thousand Years in nichts nachsteht.

Es wird so einiges über Hirsts Komplexität sinniert, im Grunde aber gelingt es ihm, zur richtigen Zeit vorwitzige Banalitäten in Wunderwerke zu verzaubern, wie so viele vor und nach ihm auch. Wenn der Trick, das Prestigio, zu offenkundig entlarvt wird, sinkt des Meisters Ansehen, denn man möchte betrogen werden, aber eben ohne öffentliche Teilhabe. Mit dem Titel der Arbeit vergeht sich der Künstler an einem Begriff der Ewigkeit, an dem sich schon einige, sich Weltreich wähnende, politische Konstruktionen mehr als nur verschluckt haben. Letztendlich zieht der Mond die Ozeane in langsamen Bewegungen hin und wieder her, und es wird möglicherweise der Moment eintreten, in dem das Wagnis des provozierend freien Falles, nackt oder von Fliegen umhüllt, den vor einem – darum die treffende Bezeichnung – Zeitgeist kuschendem Kniefall in seiner kurzlebigen Narretei bloßstellt. Larven entwickeln sich zu Fliegen, sterben und werden wiederum zur Nahrung ihrer Nachfahren. Eine brillante, unvermittelt verständliche Metapher, nur eben leider nicht annähernd darstellbar mit Insekten aus unbeweglichem, lebensfernem Plastik.

iir, november 2024