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eva hesse
hang up, 1966

acrylic, cloth, wood, cord & steel, 183 x 213 x 198 cm

while the others are dancing,
today’s sensor review spotlight is on:

© the estate of eva hesse

en
de

with great astonishment, we sometimes marvel at the events and consequences of a seemingly aimless, freely meandering life. overly inquisitive observers often meet the standout turning points and endpoints of this path with skepticism, using notorious clichés like „that’s just because“ or „what if.“ as much as discontent, envy, or mockery may resonate in these words, they point to a world that tries to explain states of being with terms like luck, fate, or misfortune—states that resist direct, comprehensible investigation. for those who find the simple explanation that the right thing happened at the right time and place unsatisfactory, other reasons must be sought.

the daughter of jewish immigrants returns as a sculptor after a stay in germany, where she initially went as a painter. whether it’s the more open-minded spirit of her hosts toward modern ideas or a variety of other possible motives, the shift to sculpture transforms the young eva hesse into the hottest star of the new york art scene in the few years she has left. her ideas are as fresh as the materials she now primarily uses—latex, rubber, and plastic. the artist, who sees no point in separating life and art, experiences in her work a relationship with the material, whose size, form, or position in space must emerge from within itself in order to preserve the inherent vitality. reflecting her own life story, it is the contradictions, breaks, and scars that lead hesse to new fields of form exploration. from the author samuel beckett, she borrows a sense of absurdity, encapsulated in his play waiting for godot, which binds the intellectual uncertainty of the postwar generation to this concept.

in a 1966 interview with artforum, she describes her work hang up with exactly these words, as if she is still surprised by her own dialogue with the piece, especially by its final expression. the absolute fluidity of her emotions connects with the softness of her materials, creating a much-needed counterposition to the rigidity, straight lines, and material hardness of minimal art. hesse embraces deviation and knows how to use emerging chaos in her artistic process. in serial methods, the sculptor finds another way to free herself from pre-established thought structures, and through this factual opening of artistic practice, she becomes a shining icon in art history. artists‘ interventions, which reflect chaos, mirror each other in both postwar periods. after world war i, dadaists and surrealists tear down old walls and floors, but it is only after world war ii that they succeed in exciting the world with far-reaching abstract-conceptual thought models.

iir, october 2024

Mit großer Verwunderung bestaunen wir mitunter die Ereignisse und deren Konsequenzen eines eher planlos erscheinenden, frei mäandernden Lebens. Allzu vorwitzige Betrachter begegnen den herausstechenden Wende- und Endpunkten dieses Weges gerne mit Skepsis und bekannt-berüchtigten Floskeln wie „Das ist doch nur, weil“ oder „Was wäre, wenn“. So sehr Missmut, Neid oder Hohn in diesen Worten mitschwingen mag, sprechen sie doch eine Welt an, die mit den Begriffen Glück, Fügung oder Pech Zustände zu klären sucht, die sich einer direkt begreifenden Untersuchung entziehen. Wem die schlichte Erklärung, die richtige Sache sei eben zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort erschienen, nicht genügen mag, muss andere Gründe zur Klärung heranziehen.

Die Tochter jüdischer Immigranten kehrt nach einem Deutschland-Aufenthalt als Bildhauerin zurück, nachdem sie dorthin als Malerin gestartet ist. Sei es der den Ideen der Moderne offenere Geist ihrer Gastgeber oder eine Vielzahl anderer möglicher Beweggründe, der Wechsel zur Skulptur macht aus der jungen Eva Hesse in den ihr wenigen noch verbleibenden Jahren den angesagtesten Star der New Yorker Kunstszene. Ihre Ideen sind so frisch wie die von ihr von nun an vornehmlich verwendeten Materialien – Latex, Kautschuk und Plastik. Die Künstlerin, die keinen Sinn darin sieht, Leben und Kunst zu separieren, erlebt in ihren Arbeiten ein zu gestaltendes Gegenüber, dessen Material, Größe oder Position im Raum sich aus sich selbst heraus ergeben muss, um so die darin innewohnende Vitalität zu bewahren. Entsprechend ihrer eigenen Vita sind es die Widersprüche, Brüche und Narben, die Hesse zu neuen Feldern der Formfindung führen. Dem Autoren Samuel Beckett entlehnt sie das Gefühl der Absurdität, dessen Theaterstück Warten auf Godot die dräuende, intellektuelle Verunsicherung der Nachkriegsgeneration unter diesen Begriff bindet.

Ihre 1966er Arbeit Hang Up beschreibt sie in einem Artforum-Interview mit genau jenen Worten, als sei sie von sich und ihrem Dialog mit dem Werk, vor allem aber über dessen finale Ausformulierung, noch immer überrascht. Die absolute Beweglichkeit ihrer Gefühle verbindet sich mit der Weichheit ihrer zu gestaltenden Materialien und bildet so eine sehr notwendige Gegenposition zur gängigen Strenge, Geradlinigkeit und Materialhärte der Minimal Art. Hesse liebt die Abweichung und weiß entstehendes Chaos in ihrer Arbeit für sich in ihrem künstlerischen Prozess zu nutzen. In der seriellen Methodik findet die Bildhauerin eine weitere Möglichkeit der Befreiung vorgefertigter Gedankenstrukturen und geht durch ihre faktische Öffnung künstlerischer Praxis als leuchtende Ikone in die Kunstgeschichte ein. Der von Künstlern das Chaos spiegelnde Eingriff doppelt sich in beiden Nachkriegszeiten. Nach dem Ersten Weltkrieg reißen Dadaisten und Surrealisten alte Wände und Böden auf, aber erst nach dem Zweiten gelingt es ihnen, die Welt für weiterreichende abstrakt-konzeptionelle Gedankenmodelle zu begeistern.

iir, october 2024