hans holbein d.j.
simulachres de la mort, 1524/25
wood print, 7 x 4,9 cm
while the others are dancing,
today’s sensor review spotlight is on:
© staatliche kunsthalle karlsruhe
martin luther sees himself as a monk without reproach and, before his god, as a sinner, unable to love him. trapped in the helplessness of his thoughts, a letter from paul to the romans leads the suffering theologian to enlightenment. his idea—not human action but only the grace of god brings eternal salvation—will soon divide the christian church and lead europe into a centuries-long conflict of confessions. with his criticism of the catholic church’s masterfully devised indulgence trade—sin paid for with atoning money—the yearning cleric strategically closes off this revenue source, cleverly disguised under the guise of piety, and makes additional enemies as a translator of the bible into german. gutenberg’s media revolution of movable type, the printing press, will soon propel humanity to higher cultural levels, but we are still in the first quarter of the 16th century.
whenever the money-pressing pope places the german empire’s emperor under ban, priests’ ears close, and pastoral care falls silent. in the unbearable, unending uncertainty of whether their own hedonistic recklessness might land them in the eternal damnation of purgatory, believers fall into a routine of stoic acceptance. the danse macabre implemented in woodcut is published in hans holbein’s version by the trechsel brothers in 1538 as simulachres de la mort in lyon, addressing the religious ennui of the catholics. unlike his colleagues albrecht dürer or hans baldung, holbein’s creative portrayal of transience features death’s parade with the bone man leading all members of society, regardless of gender, young or old. holbein, a true renaissance man—architect, painter, and sculptor in one—is inspired by the grim farce of the basel totentanz, created in 1439 after the plague epidemic, laced with dark wit.
nourished by his deep experience in these three disciplines, the artist adds a rich repertoire of detail to the rather simplified genre in his book of 41 works. the renaissance’s values and significance are based on universal forms, and thus, from holbein’s clear and impressive visual language, emerges a print cycle whose accessibility is on par with luther’s translation of the bible into german. the effects of luther’s soul-wrenching yearning for divine grace are evident. friedrich nietzsche, with his declaration “god is dead,” aims to provoke discussion about newfound freedom from guilt and morality, signaling a potential loss, as he prefers the mandatory, weekly penance payment over a now cost-free but lifelong direct examination by the lord. nonetheless, the reformation is widely felt as a refreshing purification, and a new confidence in confronting the transience of all earthly things arises. people are accustomed to war and death.
iir, november 2024
Martin Luther sieht sich als Mönch ohne Tadel und vor seinem Gott als Sünder, unfähig, diesen zu lieben. In der Hilflosigkeit seiner Gedanken gefangen, führt ein Brief des Paulus an die Römer den darbenden Theologen zur Erleuchtung. Sein Gedankenmodell, nicht das menschliche Handeln führe zur ewigen Erlösung, sondern nur die Gnade Gottes selbst, wird in der Folge die christliche Kirche spalten und Europa in eine über Jahrhunderte währende Schlacht der Konfessionen leiten. Mit der Kritik am meisterlich durchdachten Ablasshandel der katholischen Kirche – Sünde gegen sühnendes Geld – verschließt der sich sehnende Geistliche die strategisch brillant unter Frömmigkeit getarnte Einnahmequelle und macht sich zudem als Übersetzer der Bibel ins Deutsche zusätzliche Feinde. Gutenbergs mediale Revolution der beweglichen Lettern, der Buchdruck, wird die Menschheit in der Folge in höhere kulturelle Ebenen katapultieren, aber noch befinden wir uns im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts.
Wann immer der geldpressende Papst den Kaiser des deutschen Reiches mit dem Bann belegt, verschließen sich die Ohren der Priester, und die Seelsorge verstummt. In der unerträglich fortwährenden Unsicherheit, ob der eigenen hedonistischen Leichtsinnigkeit in der ewigen Verdammnis des Fegefeuers zu landen, verfallen die gläubigen Sünder in einen Trott stoischer Hinnahme. Der im Holzdruck umgesetzte Danse Macabre wird in Hans Holbeins Version bei den Trechsel-Brüdern 1538 als Simulachres de la Mort in Lyon verlegt und bedient den religiösen Ennui der Katholiken. Im Gegensatz zu seinen Kollegen Albrecht Dürer oder Hans Baldung führt des Künstlers kreative Vergänglichkeitsdarstellung den Todesreigen des Knochenmannes mit allen Mitgliedern der ständischen Gesellschaft auf, gleich welchen Geschlechtes, ob jung oder alt. Holbein, ein wahrer Mann der Renaissance und Architekt, Maler nebst Bildhauer in einem, ist inspiriert von der mit bösem Witz durchsetzten, grausigen Farce der Basler Totentänze, die in der Folge der Pestepidemie 1439 entstehen.
Genährt aus der wissenden Erfahrung dieser drei Betätigungsfelder, fügt der Künstler der in ihrer Darstellung eher reduziert ausgeführten Gattung in seinem 41 Arbeiten umfassenden Buch ein reiches Detailrepertoire bei. Wert und Bedeutung der Renaissance setzen auf Allgemeingültigkeit einer Form, und so entsteht aus Holbeins klarer und eindrücklicher, bildnerischer Sprache ein Druckzyklus, der in seiner Allgemeinverständlichkeit Luthers Übersetzung ins Deutsche entspricht. Die Folgen Luthers sich nach göttlicher Zuwendung verzehrenden Seelenpein sind evident. Friedrich Nietzsche, der mit der Verkündung „Gott ist tot“ eine Diskussion über die nun erlangte Freiheit von Schuld und Moral anregen möchte und somit einen Verlust anmahnt, zieht die Entrichtung des obligaten, sonntäglichen Bußgeldes der nun kostenlosen, aber lebenslangen, direkten Durchleuchtung durch den Herrn vor. Nichtsdestotrotz wird die Reformation vielerorts als erfrischende Reinigung empfunden, und der Umgang mit der Endlichkeit alles Irdischen weicht neuer Zuversicht. Man ist an den Krieg gewöhnt und den Tod.
iir, november 2024