johannes grützke
komm setz dich zu uns, 1970
oil on canvas, 160 x 190 cm
while the others are dancing,
today’s sensor review spotlight is on:
© johannes grützke
the thousand years of imperial lands are over, and not even the dapperly coiffed reich chancellor with his pitiful toothbrush mustache can hold on to them. post-war germany feels the words but has not yet internalized their deeper meaning and goes about its daily toil with wilhelmine zeal, financed with calculated precision by uncle sam. the brown shirt gives way to the white, industrious american style, and when one rolls up their sleeves to demonstrate productivity, it becomes clear how obedient they have become. private homes and automobiles with matching garages replace the violent state-driven longing for territorial expansion on a grand scale with the loving construction of private garden fences on a small one. discipline and order survive the chaos of war, but a new wind blows over from berkeley and the sorbonne, aiming to sweep away the mustiness beneath old academic gowns. though the ‘68ers attempt to ideologically uncork the bottle, their clumsy processing of their fathers’ legacy compresses the theme and the discussion, exacerbated by terrorist escapades surrounding andreas baader and ulrike meinhof.
germany, which is not a germany, or not yet one again, or will never be one again, finds its sharp-tongued artistic chronicle in johannes grützke. while songwriter ulrich roski’s take on the situation is gently mocked on the radio, and a sardonic vico von bülow, aka loriot, grins from a modest sofa on television, grützke’s field of work offers plenty of material to explore in the dignified tradition of new objectivity. christian schad’s fleshy vulva of the weimar years is deftly transferred by the painter into the cozy slipper of his time. same leg, different purpose, one might assume, except that the eagle’s wings have been clipped. the dream of flying evaporates into reinhard mey’s cloud-drifting serenades of the universally admired economic miracle, and so everyone joins hands in the dizzying certainty that no war will ever again emanate from german soil.
the iconic mercedes-benz cannot escape the man of higher education that grützke is, and so here it stands, the vehicle that races down roads worldwide despite speed limits, now parked on a neighbor’s meadow. three men in now-familiar white invite participation with friendly gestures. cunning, malice, and power consciousness invite a dialogue that will not be one, ending instead in the trunk of this swabian miracle machine or in some still-hidden contraption beneath its unopened lid that promises even more sinister amusement. willy brandt’s call for “daring more democracy” hums in the air, but, mon dieu, the old spirit of well-filled testicles need not concern itself with such aspirations. grützke’s motif is by no means inherently german but is now up for negotiation here. whether it is the kaiser, hitler, the victorious allies, the students, or all of them together who finally kick the bucket is of little importance compared to the milk that is about to be spilled across this masterpiece.
iir, december 2024
Die tausend Jahre kaiserlicher Lande sind hinüber, daran kann auch der fesch frisierte Reichskanzler mit kümmerlicher Rotzbremse nicht festhalten. Nachkriegsdeutschland fühlt die Worte, hat aber deren tieferen Kern noch nicht verinnerlicht und verrichtet mit wilhelminischem Eifer ein Tagwerk, das Uncle Sam wohlkalkuliert finanziert. Das braune Hemd weicht in amerikanischer Manier dem weißen, arbeitssamen, und wenn man tatkraftdarstellend die Ärmel hochkrempelt, kann jeder spüren, wie brav man geworden ist. Eigenheim und Kraftfahrzeug mit dazugehöriger Garage ersetzen die gewalttätig staatliche Sehnsucht nach territorialer Gebietserweiterung im Großen durch die liebevolle Anlegung privater Gartenzäune im Kleinen. Zucht und Ordnung haben die Kriegswirren überlebt, aber ein neuer Wind weht herüber aus Berkley und der Sorbonne, um den Muff unter alten Talaren zu beseitigen. Wiewohl die 68er den Korken ideologisch zu lösen suchen, komprimiert deren ungeschickte Vaterverarbeitung Thema und Diskussion eher, mit Seitensprüngen terroristischer Aktivitäten im Umfeld von Andreas Baader und Ulrike Meinhof.
Das Deutschland, das keines ist, oder noch nicht wieder eines ist, oder nie wieder eines werden wird, findet in Johannes Grützke seine spitzzüngig-künstlerische Aufzeichnung. Während im Radio die Situation von Liedermacher Ulrich Roski nachsichtig bewitzelt wird, aus dem Fernseher ein spöttischer Vico von Bülow aka Loriot vom biederen Sofa heruntergrinst, findet sich in Grützkes Aufgabengebiet ausreichend Stoff, in würdiger Neue-Sachlichkeit-Nachfolge zu gründeln. Christian Schads fleischige Vulva der Weimarer Jahre überträgt der Maler zielsicher in den wohligen Pantoffel seiner Zeit. Gleiches Bein, andere Funktion, darf man vermuten, nur hat man dem Adler die Flügel gestützt. Der Traum vom Fliegen verpufft zu Reinhard Meys Wolkengesäusel des allseits bewunderten Wirtschaftswunderlandes, und so fassen sich alle an den Händen in der taumelnden Gewissheit, dass von deutschem Boden kein Krieg mehr ausgehen wird.
Dem Mann gehobener Bildung Grützke kann der exportschlagernde Mercedes-Benz nicht entfliehen, und so steht hier, was weltweit trotz Geschwindigkeitsbegrenzung die Straßen beflitzt, auf Nachbars Weide. Drei Herren in uns nun bekanntem Weiß laden freundlich zur Teilhabe ein. Hinterlist, Häme und Machtbewusstsein bitten zum Dialog, der keiner sein wird, und im Kofferraum des schwäbischen Wunderwerks endet oder mit dem hinter diesem noch verschlossenen Deckel befindlichen Gerät noch spassiger gerät. Willy Brandts „Mehr Demokratie wagen“ liegt flirrend in der Luft, mon Dieu, der alte Geist ordentlich gefüllter Hodensäcke allerdings muss sich darum nicht scheren. Grützkes Motiv ist beileibe nicht ursächlich deutsch, wird aber hier gerade verhandelt. Sind es der Kaiser, Hitler, die Siegermächte oder die Studenten, oder alle gemeinsam, die den Eimer final umtreten, ist von kleiner Bedeutung angesichts der Milch, die hier auf diesem Meisterwerk gleich verschüttet werden wird.
iir, december 2024