k.r.h. sonderborg
untitled, 1983
brush, bamboo feather, japanese spatula & ink on laid paper, 66 x 92,8 cm
while the others are dancing,
today’s sensor review spotlight is on:
© k.r.h. sonderborg
the eighteen-year-old swing boy kurt rudolf hoffmann is arrested by the gestapo in november 1941 and sent to the fuhlsbüttel concentration camp for four months. the youth movement, which not only in hamburg enjoys listening to jazz, dresses in un-german fashion, and otherwise leads an allegedly dissolute lifestyle, isnot only a thorn in the side of reichsführer-ss heinrich himmler. he intends to discipline them harshly, whether boys or girls, to instill in them a greater interest in the national socialist volksgemeinschaft. under the case number ar/883/6, the reich commissioner for the consolidation of german nationality presents a memorandum to reinhard heydrich, head of the reich security main office, proposing drastic measures to suppress subversion of military strength by all means. detention in a labor camp, a location more age-appropriate for the accused if at all, seems utterly inadequate to the future reich interior minister. hoffmann’s arrest warrant cites anglophilia, anti-state and subversive behavior aimed at causing unrest among the population.
unrest will drive the future member of the zen 49 group throughout his life. the sheer brutality with which the concentration camp operators maltreat the young detainees and his contact with other political prisoners replace his previous hedonism with a new attitude. paris, berlin, and chicago become stations that the artist sonderborg, as he now calls himself after his birthplace, moves through in perpetual transition. starting in 1965, he also holds a professorship at the state academy of fine arts in stuttgart. the restlessness of his driven life is reflected in the eruptive dynamism of his energy, compressed into works on drawing boards and canvases. his works show a certain affinity with informel and action painting, yet maintain an unmistakable individual style as an independent artistic position. a two-time documenta participant, sonderborg long avoids the tranquility of his own studio, preparing canvases, paints, and tools such as brushes, spatulas, and scrapers in hotel rooms with orderly calm, only to plunge explosively into work with “maximum alertness and concentration.”
not only the act of creation reflects a high degree of energy, but the motifs of his world are also permeated by it. generators, power lines, and harbor facilities serve as real-life templates for his expressive interpretations—as do firearms. machine guns and rifles, objects of an entirely different, deadly form of concentrated energy, appear from the 1970s onward as silent yet unambiguous witnesses to a west german reality grappling helplessly with terrorism. the red army faction shakes the population with its murders, and the eternal flow of life reveals its brutal face in the metallic black void of the depicted recoil loader. the automatism of imagination transitions into the automatic penetrating force of a killing machine. later, sonderborg also paints the bed sheet from andreas baader’s cell, inspired by the visual presence of the motif but without a moralizing pretext. he retains the first letters of his birth name after renaming himself, a rhythmic structuring of speech akin to a musician counting off when jazz begins.
iir, december 2024
Der achtzehnjährige Swing-Boy Kurt Rudolf Hoffmann wird im November 1941 von der Gestapo verhaftet und für vier Monate in das Konzentrationslager Fuhlsbüttel gesteckt. Die Jugendbewegung, die nicht nur in Hamburg gerne dem Jazz hört, sich undeutsch kleidet und auch sonst ein vermeintliches Lotterleben führt, ist dem Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, nicht nur ein Dorn im Auge. Er will sie, ob Junge oder Mädchen, aufs Härteste züchtigen und ihnen so mehr Interesse für die nationalsozialistische Volksgemeinschaft einprügeln. Unter dem Aktenzeichen AR/883/6 unterbreitet der Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums dem Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, Reinhard Heydrich, mit einem Schreiben die denkwürdige, Wehrkraftzersetzung mit allen Mitteln unterbinden wollende Maßnahme. Die Inhaftierung in einem Arbeitslager, eine dem Alter der Beschuldigten, wenn überhaupt, angemessenere Stätte, erscheint dem späteren Reichsinnenminister als zwingend unzureichend. Hoffmanns Haftbefehl lautet auf Anglophilie, staatsabträgliches und zersetzendes Verhalten mit dem Ziel, Unruhe unter der Bevölkerung zu stiften.
Unruhe wird das spätere Mitglied der Gruppe Zen 49 sein Leben lang antreiben. Die nackte Brutalität, mit der die Betreiber des KZs den Jugendlichen malträtieren, und der Kontakt mit anderen politischen Häftlingen pflanzt an die Stelle bisherigen Hedonismus’ eine neue Haltung ein. Paris, Berlin, Chicago sind die Stationen, die der Künstler Sonderborg, wie er sich nun nach seinem Geburtsort nennt, in ewigem Wechsel durchläuft. Ab 1965 reiht sich zudem noch eine Professur an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart hinzu – die Rastlosigkeit seines getriebenen Lebens spiegelt sich in der eruptiven Dynamik der in komprimierten Akten auf Zeichenkartons und Leinwänden übertragenen Energie. Die Arbeiten zeigen eine gewisse Nähe zum Informel ebenso wie zum Action Painting, bleiben aber in und mit ihrer unverwechselbaren Handschrift eine eigenständige Position. Der zweifache Documenta-Teilnehmer sucht lange Zeit nicht die Ruhe und Gelassenheit eigener Atelierräume. Er bereitet in Hotelzimmern die Malgründe, Farben und Bearbeitungsutensilien wie Pinsel, Spachtel und Schaber in ordnender Ruhe vor, um sich dann in einem „Höchstmaß an Wachheit und Konzentration“ explosionsartig in die Arbeit zu stürzen.
Nicht nur der Akt der Erstellung handelt in einem hohen Maße von Energie, auch die Motive seiner Welt sind von Trägern derselben durchdrungen. Generatoren, Stromleitungen und Hafenanlagen bieten reale Vorlagen seiner expressiven Umsetzung – und Schusswaffen. Maschinenpistolen und Gewehre, Objekte einer gänzlich anders gearteten, todbringenden Bündelung von Energie, erscheinen ab den 1970er-Jahren als stumme, aber eindeutige Zeugen einer bundesrepublikanischen Realität im hilflosen Umgang mit Terrorismus. Die Rote Armee Fraktion erschüttert mit ihren Morden die Bevölkerung. Der ewige Fluss des Lebens zeigt sein brutales Gesicht in der metallisch schwarzen Leere des dargestellten Rückstoßladers – der Automatismus der Fantasie geht über in die automatische Durchschlagskraft einer Tötungsmaschine. Sonderborg wird auch später das Betttuch aus der Zelle Andreas Baaders malen, angeregt durch die optische Präsenz des Motivs, aber ohne moralisierendes Alibi. Die ersten Buchstaben seines Geburtsnamens belässt er nach seiner Umbenennung als rhythmische Gliederung eines Sprachakts, dem Einzählen des Musikers gleich, wenn der Jazz beginnt.
iir, december 2024