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philip guston
the studio, 1969

oil on canvas, 121,9 x 106,7 cm

while the others are dancing,
today’s sensor review spotlight is on:

philip guston

© the estate of philip guston

en
de

everything is in constant change, as philip guston says, an artist must constantly evolve to avoid stagnation. in his early years, he devotes himself to drawing cartoons and making copies of italian masters from the 15th century. diego rivera’s murals inspire him to create similar works until he leaves figuration behind and turns to an abstraction built from quickly applied horizontal and vertical strokes, impressionistic in nature. after a brief transitional phase, during which he searches for the outlines of real-life situations, guston finds his ultimate artistic expression, making him one of the leading painters of the 20th century — depicting the world of everyday objects in an expressively designed, cartoon-like manner. from here to there and back again, the artist lives out what he advises his students. the constant doubt within, he places the untamed unknown under the sheet of a ku klux klan figure — a reminder of the unimpeded marches of hooded figures from his past.

the perpetrators under the cloth haunt the son of jewish immigrants from ukraine throughout his life. he draws and paints them from the 1930s onward, and even long after his death, the theme of the disguised, racist white man in guston’s work sparks heated debates about their public display. the painter, who in his final phase builds a rich compendium, an alphabet of forms into a unique syntax, seeks the direct visualization of objects but shies away from straight self-representation. by placing himself under the hated costume of his opponent, the supposed disappearance of his person under the sheet symbolizes the painter’s transformation into the scenarist behind the canvas. if guston’s earlier depictions of hooded figures on sketches or murals serve as a warning of the disgraceful actions and plans of others, the artist’s strategic move places his own self under a dissecting, publicly exposing, psychological microscope. true to the saying “hang your greatest treasure right in front of the door and the thief will never find it,” guston paints the klan motif between himself, his work, and the viewer as a visual stumbling block.

according to simonides of ceos, the first author whose themes revolved around memory, poetry is a speaking image, and painting is silent poetry. guston, guided by many poets as he paints his way into the world of simple objects, understands the banality of evil, but as a witness to the movement that sought to erase both jews and blacks alike, he does not want to consign the symbol of brutal annihilation to oblivion. by repeatedly portraying himself under this cloth, the artist solidifies, image by image, the memory of the horrific events. but since memory is always being renegotiated, this accusatory motif pulls him off the walls, driven by a supposedly concerned but ultimately misguided sense of political correctness that only furthers evil through misplaced censorship. with the massive intervention of the following generations of artists, guston’s position in art history is finally secured in 2022 through exhibitions in all major institutions in the u.s. the artist’s art of re-presentation triumphs with its individual drive for transformation over purely figurative or abstract depiction.

iir, october 2024

Alles ist in ewigem Wandel, also sagt Philip Guston, man muss sich als Künstler stetig verändern, um nicht zu erstarren. In seinen frühen Jahren widmet er sich dem Zeichnen von Kartoons und fertigt Kopien italienischer Meister des 15. Jahrhunderts an. Diego Riveras Murals inspirieren ihn zu ebensolchen Arbeiten, bis er die Figuration verlässt und sich einer impressionistischen, aus schnell gesetzten horizontalen und vertikalen Strichen aufbauenden Abstraktion zuwendet. Nach einer kurzen Zwischenphase, in der er die Umrisslinien realer Situationen abtastend sucht, findet Guston zu seiner endgültigen künstlerischen Formfindung, und diese macht ihn zu einem der führenden Maler des 20. Jahrhunderts – die Welt der alltäglichen Gegenstände in einer expressiv gestalteten, comichaft ausgeführten Version. Von hier nach da und wieder zurück – der Künstler lebt genuin vor, was er seinen Studenten rät. Den Zweifel in sich, das ungebändigt Unbekannte, steckt er unter die Kapuze eines Ku-Klux-Klan-Mannes – eine Erinnerung an die ungehinderten Aufmärsche der Kuttenträger aus seiner Vergangenheit.

Die Täter unter dem Leintuch verfolgen den Sohn jüdischer Immigranten aus der Ukraine sein Leben lang. Er zeichnet und malt sie seit den 30er Jahren, und selbst lange nach seinem Tod führt das Thema des verkleideten, rassistischen, weißen Mannes in Gustons Werk zu heftigen Debatten über deren öffentliche Präsentierbarkeit. Er, der Maler, der um sich in seiner finalen Phase ein reiches Kompendium, ein Alphabet an Formen zu einer individuellen Syntax errichtet, sucht die direkte Visualisierung des Gegenstandes und scheut doch vor der direkten Abbildung des Selbst zurück. Indem er sich unter die verhasste Kostümierung des Gegners begibt, symbolisiert das vermeintliche Verschwinden seiner Person unter dem Leintuch die Transformation des Malers als Szenarist hinter die Leinwand. Sind Gustons frühere Darstellungen der Kuttenmänner auf Skizzen oder Wandgemälden eine Mahnung der schändlichen Taten und Pläne der Anderen, setzt des Künstlers Schachzug sein eigenes Ich unter das sezierende und öffentlich preisgebende, psychologisierende Mikroskop. Getreu dem Rat „Hänge deinen größten Schatz direkt vor die Eingangstür, und der Dieb wird ihn nie finden“, malt Guston zwischen sich, seinem Werk und dem Betrachter das Klanmotiv als visuellen Stolperstein.

Nach Simonides von Keos, dem ersten Autor, dessen Themen um Erinnerung kreisen, ist Poesie ein sprechendes Bild, und Malerei stille Poesie. Guston, der sich von vielen Poeten geleitet in die Welt der einfachen Gegenstände hineinmalt, weiß um die Banalität des Bösen, will aber als Zeuge ebenjener, die Juden und Schwarze gleichermaßen zu tilgen wünschenden Bewegung, das Sinnbild des brutalen Vernichtungswillens nicht dem Vergessen übergeben. Indem er sich unter diesem Tuch immer wieder inszeniert, verfestigt der Künstler Bild um Bild die Erinnerung an das geschehene Grauen. Da Erinnerung aber immer neu verhandelt wird, holt ihn eben jenes anklagende Motiv von den Wänden, angetrieben durch eine sich besorgt gebende, im Grunde aber dem Bösen in diesem Fall durch übertrieben unangebrachte politische Korrektheit nur Vorschub leistende Zeit. Mit Hilfe der massiven Intervention ihm nachfolgender Künstlergenerationen gelingt es 2022 dann schließlich doch, Gustons Position in der Kunstgeschichte durch eine Schau in allen wichtigen Institutionen der USA bleibend zu festigen. Des Künstlers vergegenwärtigende Kunst obsiegt mit ihrem individuellen Transformationswillen über die rein figurative oder abstrakte Abbildung.

iir, october 2024