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pierre schaeffer
études aux chemins de fer, 1948

manipulated & looped field recordings

while the others are dancing,
martin eugen raabenstein’s
sensor spotlight focuses on:

pierre_schaeffer

© pierre schaeffer

en
de

aging aesthetics is a deeply subjective matter, and from this perspective, pierre schaeffer’s 1948 work études aux chemins de fer remains a strangely distant, smile-inducing historical document. after a long and arduous struggle, the studio technician, composer, and founder of musique concrète finally achieves a composition of naturally recorded and then altered sounds that satisfies him. schaeffer is certainly not the first to choose the fascinating atmosphere of the world of railways as the foundation of his research, but with a seemingly tiny trick, he will fundamentally change the world of music—he invents the tonal loop. the germans he despises will soon experiment with tape machines and meter-long tape loops, but schaeffer is ahead of them with his attempts cut onto records, as he uses the infinity in sound. with this method, locked within itself and time, he can finally rhythmize the power of heavy machines, their pounding, clattering shrieks, and compress them into a concise three-minute version.

forever captured in the unique rotation of the vinyl record, schaeffer, with the help and mixing of multiple turntables, can finally commit to another disc what he has long sought to achieve. remarkably, this desire ignites in him while skiing—the scraping sound of unused ski lift bars dragged across the snow makes him ponder. the path to his envisioned musique concrète is rocky; the use of unprocessed recordings of rolling trains constantly refers listeners back to the original and makes the audience smile. he cuts the recordings, arranges them over and over in various sequences, but only the rhythmized segment, orchestrated in its own way, delivers the longed-for result. contemporary critics may still dismiss it with a smile, but schaeffer’s innovation of the loop will be heard and further developed worldwide. schaeffer, a man of the résistance who stages works by surrealists paul éluard and louis aragon on the radio and is the first to announce the withdrawal of the german occupation, finds himself in a lasting battle with german electronic music, especially with karlheinz stockhausen, long after the end of world war ii.

looking at the world of radio today, a chilling realization strikes—the awareness of how stylistically influential, innovative, and productive radio station studios were in expanding music history after the war. the wdr in cologne forms the direct european counterpoint to schaeffer’s parisian creative hub, and the fierce struggle for dominance continues well into the 1980s. stockhausen’s sinus-generator-produced visions make schaeffer shudder, but the cologne composer is also devoid of empathy and urges his musical grandchildren, scanner and aphex twin, to listen and learn from his own creations. in the seemingly inevitable generational conflict, the grandfather cannot possibly respect the decisions of his descendants, and yet, the thought of schaeffer’s spirit witnessing a contemporary berghain dj set is tantalizing. schaeffer’s idea, certainly inspired by an annoying scratch on a record, eventually leads to multiple possibilities for electronic manipulation and mixing, but first, the potential of this jump in the record must be heard, positively reflected upon, and then implemented. for this flash of genius, similar to the invention of collage, schaeffer may be eternally appreciated despite his constant grumbling.

iir, february 2025

Alterungsästhetik ist eine zutiefst subjektive Angelegenheit, und unter diesem Gesichtspunkt verbleibt Pierre Schaeffers 1948 erstelltes Werk Études aux chemins de fer ein eigenartig fernes, schmunzeln machendes Zeitdokument. Dem Studiotechniker, Komponisten und Begründer der Musique Concrète gelingt nach langem und zähem Ringen eine für ihn schließlich zufriedenstellende Komposition natürlich aufgenommener und dann verfremdeter Geräusche. Schaeffer ist wahrlich nicht der Erste, der die faszinierende Atmosphäre der Welt der Eisenbahnen als Grundlage seiner Forschungen wählt. Mithilfe eines klitzeklein erscheinenden Tricks allerdings wird er die Welt der Musik grundlegend verändern – er erfindet die tonale Endlosschleife. Die ihm verhassten Deutschen werden nicht viel später mit Tonbandmaschinen und meterlangen Bandschleifen experimentieren, aber Schaeffer ist ihnen mit seinen auf Schallplatten geschnittenen Versuchen voraus, denn er nutzt die infinite Rille. Mit diesem, in sich und der Zeit eingeschlossenen Verfahren kann er endlich die Macht der schweren Maschinen, ihr stampfend-polterndes Kreischen rhythmisieren und in eine knapp dreiminütige Fassung komprimieren.

Für immer in die einmalige Umdrehung des Vinyltonträgers gebannt, kann Schaeffer unter Zuhilfenahme und Mischung mehrerer zuspielender Plattenspieler final auf eine weitere Scheibe bannen, was ihm lange ein Anliegen war. Der Wunsch danach erglimmt in ihm bemerkenswerterweise beim Skifahren – das Schleifen von ungenutzt über den Schnee gezogenen Bügeln eines Skiliftes bringt ihn zum Grübeln. Der Weg zu einer von ihm angedachten konkreten Musik ist steinig. Die Verwendung unbearbeiteter Aufnahmen rollender Eisenbahnen verweist die Zuhörer immer wieder zurück auf das Original und lässt das Publikum schmunzeln. Er beschneidet die Tonaufnahmen, ordnet sie wieder und wieder in diversen Arrangements, aber erst das in sich rhythmisierte Teilelement ergibt in seiner Orchestrierung das herbeigesehnte Ergebnis. Zeitgenössische Kritiker mögen zwar immer noch lächelnd abwinken, aber Schaeffers Neuerung des Loops wird weltweit gehört und weiterentwickelt werden. Schaeffer, ein Mann der Résistance, der im Radio Stücke der Surrealisten Paul Éluard und Louis Aragon inszeniert und dort als Erster den Abzug der deutschen Besatzung bekannt gibt, sieht sich mit seiner konkreten Musik auch lange nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges in einer Dauerschlacht mit der elektronischen Musik der Deutschen, vor allem mit Karlheinz Stockhausen.

Betrachtet man die Welt des Radios heute, durchzuckt ein erschütterlich frösteln machendes Klagen die Erkenntnis, wie stilprägend, innovativ und produktiv die Studios der Rundfunkstationen nach diesem Krieg die Musikgeschichte erweitern. Der WDR in Köln bildet die direkte europäische Antipode zur Pariser Kreationsschmiede Schaeffers, und ein erbittertes Ringen um Vorherrschaft zieht sich noch weit bis in die Achtzigerjahre. Stockhausens mit Sinusgeneratoren erstellte Vorstellungen lassen Schaeffer erschaudern, aber auch dem Kölner ist Empathie ein Fremdwort. Er rät seinen musikalischen Enkeln Scanner und Aphex Twin dringend an, seinen eigenen Kreationen lernend zu lauschen. Im scheinbar unumgänglichen Konflikt der Generationen kann der Großvater die Entscheidungen seiner Nachfahren unmöglich respektieren, und dennoch ist die Vorstellung, Schaeffers Geist wohne einem zeitgenössischen BerghainDJ-Set bei, aufreizend. Schaeffers Idee, mit Sicherheit durch einen ärgerlichen Kratzer in einer Schallplatte begründet, führt in der Folge zu diesen multiplen elektronischen Manipulations- und Mischvarianten. Aber zunächst müssen die Möglichkeiten dieses Sprungs in der Platte gehört, positiv reflektiert und dann umgesetzt werden. Für diesen Geistesblitz, ähnlich der Erfindung der Collage, mag man Schaeffer trotz ständiger Grantelei ewig dankbar sein.

iir, february 2025