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rachel whiteread
ghost, 1990

plaster and steel frame, 269 x 355, 5 x 317,5 cm

while the others are dancing,
today’s sensor review spotlight is on:

rachel whiteread

© rachel whiteread

en
de

plaster, wax, epoxy resin, or concrete—rachel whiteread opens the valve and fills voids with inflowing materials, displacing emptiness from hollow spaces. the result is a negative form that represents a space we can no longer touch or enter. the artist’s passion for concrete and her love of materials stem from her parents. you do what you know, so it’s only natural to experiment with casting objects. spaces, staircases, houses, everyday objects—whiteread acts as a conservator of daily life, preserving, sealing, and simultaneously nullifying. faced with the inversion of volumes, the audience succumbs to the seductive idea of visual restitution. instead of accepting whiteread’s work as it is, they lose themselves in the labyrinth of imagined reconstructions of lost worlds. past and present overlap in the future realization of our intellectual error, yet we eagerly fall for the sherlockian temptation of deciphering objects.

positive or negative form—curiosity, the urge to play, or a need for order compels us to tug at the thread that teasingly pokes out somewhere. yet when every attempt at reconfiguration, at immersing ‘into’ whiteread’s works proves futile, the sober question arises: does the artist even intend to include her audience, or does she use hermetic objects to ensnare them in the trap of obvious insolubility—an enigma, a self-contained mental maze. ghost, the interior of a victorian house in north london—or rather what remains of it—cements whiteread’s growing reputation, hinted at as early as her participation in the 1992 group exhibition young british art. with house, a cast of another victorian london building, she becomes the first woman to win the turner prize for british visual artists in 1993. in 1997, she designs the british pavilion and wins the prize at the 47th venice biennale.

the most fascinating mysteries are those whose supposed solutions are endlessly and cheerfully reimagined. in his 1980 historical crime novel the name of the rose, umberto eco offers the blueprint for decades of media exploration of cult rituals, conspiratorial secret societies, and puzzle-solving adventurers in brisk outdoor attire like indiana jones or lara croft. the thrill finds its balance in the glamorously dusty playing field of an improbably overdrawn vision of hypermobile archaeology. while whiteread’s often monumental objects seem intent on eluding us with their austere visuality, we project our deep-seated yearning for minimal comfort onto them. in the inverted detail of a negatively rendered fireplace, our puppy-like instinct imagines finding a clue. yet we merely point excitedly at the bone we’ve thrown ourselves.

iir, november 2024

Gips, Wachs, Epoxidharz oder Beton – Rachel Whiteread öffnet das Ventil und pumpt mit den einfließenden Materialien die Leere aus Hohlräumen. Das Ergebnis bildet als Negativform den Raum ab, den wir nun nicht mehr greifen oder betreten können. Die Künstlerin erfährt die Freuden des Betonierens und die Liebe zum Material durch ihre Eltern. Man tut, was man kennt, also ist es naheliegend, mit der Abformung von Gegenständen zu experimentieren. Räume, Treppen, Häuser, Alltagsgegenstände – Whiteread betätigt sich als Konservatorin des alltäglichen Lebens, bewahrt, verschließt und nichtet aber auch gleichzeitig. Angesichts der Umkehrung der Volumina übertölpelt sich das Publikum in der verführerischen Vorstellung visueller Rückführung. Anstatt Whitereads Arbeit als gegeben anzunehmen, verliert es sich im Labyrinth der imaginierten Nachzeichnung verlorener Welten. Vergangenheit und Gegenwart überschneiden sich in der zukünftigen Einsicht unseres gedanklichen Fehlers, doch wie gerne verfallen wir der sherlockschen Verlockung zu enträtselnder Objekte.

Positive oder negative Form – Neugier, Spielsucht oder Ordnungsdrang lassen uns jederzeit an dem Faden ziehen, der vorwitzig irgendwo herauslugt. Wenn jeglicher rekonfigurierende Versuch, das Eintauchen in die Arbeiten Whitereads, allerdings vergeblich ist, stellt sich die nüchterne Frage, ob die Künstlerin ihr Publikum überhaupt einzubeziehen gedenkt oder es gerade durch hermetische Objekte in die Falle offensichtlicher Unlösbarkeit des Imaginierens lockt – ein Enigma und in sich verschachtelter, gedanklicher Irrgarten. Ghost, der Innenraum eines viktorianischen Hauses im Norden Londons, oder besser das, was von ihm verbleibt, erweitert Whitereads Ruhm, der sich als Teilhaberin der 1992er Gruppenausstellung Young British Art schon ankündigt. Mit House, dem Abdruck eines ebenfalls viktorianischen Londoner Gebäudes, gewinnt sie 1993 als erste Frau den Turner-Preis für britische bildende Künstler. 1997 gestaltet sie den britischen Pavillon und gewinnt den Preis der XLVII. Biennale in Venedig.

Die faszinierendsten Mysterien sind diejenigen, deren vermeintliche Lösung unaufhörlich und munter weitergesponnen wird. Mit seinem 1980 erschienenen historischen Kriminalroman Der Name der Rose veröffentlicht Umberto Eco den Blueprint für eine in Folge jahrzehntelang anhaltende mediale Auseinandersetzung mit kultischen Ritualen, verschwörerischen Geheimbünden und rätselentwirrenden Schlaubergern in hurtigem Outdoorzwirn, genannt Indiana Jones oder Lara Croft. Die Spannung pendelt sich ein im glamourös staubigen Spielfeld einer wundersam überspannten Vorstellung hypermobiler Archäologie. Wiewohl sich uns Whiteread bei ihren mitunter monumentalen Objekten in bildnerischer Kargheit zu entziehen gedenkt, suchen wir unsere innigliche Sehnsucht nach minimaler Behaglichkeit in ihr wiederzufinden. Im ausgestülpten Detail eines negativ abgebildeten Kamins vermeint unser welpenhaft schnüffelnder Trieb, ein Indiz zu entdecken, doch wir deuten nur freudig auf den Knochen, den wir uns selbst geworfen haben.

iir, november 2024