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yves klein
untitled anthropometry, 1960

dry pigment in synthetic resin on paper on canvas, 194 x 127 cm

while the others are dancing,
today’s sensor review spotlight is on:

yves klein

© yves klein

en
de

squeaking and screaming, frenzied, naked bodies, fresh paint, lots of paint, encouraging calls, and in the midst of it all, a finely dressed young gentleman offering subtle instructions. or does a knowing, silent reverence hover over the scene, as if the audience is participating in a historical deed, an unrepeatable moment—or perhaps a blend of both? yves klein has nude young women, covered in paint, smear, press, and wipe the fresh, wet liquid onto papers spread across the floor, later presenting the results as artworks. fleshy, self-moving brushes—the question of whether a woman can only enter a museum as a naked model and not as an artist on display will not be raised for several more years. it is 1958, and klein’s performances, called „anthropometries,“ are not yet classified into defining categories. that he will be recognized as avant-garde, a precursor to pop art, and a conceptual artist does not concern him, for he will die five years later at the age of 34.

the man who patents an ultramarine blue as international klein blue in 1960 is remarkably active during his lifetime—an era of seemingly boundless, new possibilities that klein knows how to exploit. europe is far removed from the influence of american critics, who are eagerly shaping narratives of independent artistic greatness and future dominance. the resulting unbridled, flourishing artistic wilderness in europe produces wonderfully unexpected developments, though the fascinating blooms of peter roehr, piero manzoni, and yves klein curiously wither far too quickly. in their brief, highly unrestrained time, the three explore artistically uncharted territory. one might say that those who wake with fleas cannot control their dog, but the well-observed phenomenon of theoretical activity across the atlantic does not immediately create a corresponding watchdog in post-war europe. roehr assembles sequences of industrially produced mass items into ordered structures, while manzoni and klein experiment with monochrome objects.

klein, a master of the fourth dan in the japanese martial art of judo, the gentle way, applies the concept of winning through yielding—central to this technique—to the transfer of paint onto a canvas. the woman, painted with klein’s patented blue, leaves the imprint of her body on the canvas as a documentation of her performative act. rejecting the paintbrush as an overly psychological tool and preferring the paint roller, klein occasionally accompanies the action with live orchestral music producing uniform tonal structures, calling the piece „monotone symphony.“ he loves ecstatic, immediate emotion, sharing this with the world in 1960 through his leap into the void, in which he jumps from a first-floor window with arms outstretched and his upper body facing upward, without any visible protection not hitting the pavement below. the photograph of this performance, defying gravity, circulates worldwide. “come with me into the void,” he sings to his wife, lays aside his black belt for health reasons, and dies two years later from a final heart attack, caused by the toxic fumes emanating from his beloved blue.

iir, december 2024

Quietschen und Schreien, tobende, nackte Leiber, frische Farbe, viel Farbe, auffordernde Rufe und dazwischen ein feingekleideter, junger Herr mit dezenten Anweisungen. Oder schwebt über dem Geschehen die wissend schweigende Andacht, als Publikum teilzuhaben an einer historischen Tat, einem unwiederbringlichen Moment – beides vermischt gar? Yves Klein lässt mit Farbe bestrichene, unbekleidete junge Frauen ebenjene frischfeuchte Flüssigkeit auf den Boden bedeckende Papiere ab… wischen, drücken, schmieren, um das Ergebnis später als Kunstwerk zu präsentieren. Fleischgewordene, selbstbewegliche Pinsel – die Frage, ob eine Frau nur als nackte Malvorlage ins Museum gelangt und nicht als ausstellende Künstlerin, wird erst einige Jahre später gestellt werden. Es ist das Jahr 1958, und Kleins „Anthropometrien“ genannte Performances erfahren noch keine ordnend zuweisenden Kategorisierungen – dass er als Avantgarde, Vorgänger der Popart und Konzeptkünstler gehandelt wird, muss den zwischen Genie und Schabernack treibenden nicht interessieren, denn fünf Jahre später wird er, 34-jährig, verstorben sein.

Der Mann, der 1960 ein Ultramarinblau als „International Klein Blue“ patentieren lässt, ist zu Lebzeiten äußerst umtriebig – in einer Zeit unbegrenzt erscheinender, neuer Möglichkeiten weiß Klein sie zu nutzen. Europa ist weit außerhalb des Einflussbereichs amerikanischer Kritiker, die eifrig damit beschäftigt sind, eigenständige künstlerische Größe und zukünftige Dominanz herbeizuschreiben. Der so entstehende, ungestört wuchernde künstlerische Wildwuchs treibt wunderbar unerwartete Positionen aus, deren spannende Blüten Peter Roehr, Piero Manzoni und Yves Klein viel zu schnell verblühen. In deren kurzer, äußerst freifliegend verbleibender Zeit betreten die drei künstlerisch ungedachtes Gebiet. Wer mit Flöhen aufwacht, hat seinen Hund nicht im Griff, so mag man meinen, aber das wohl beobachtete Phänomen theoretisierenden Treibens jenseits des Atlantiks kreiert im Nachkriegseuropa nicht postwendend entsprechendes Wachtier. Roehr montiert Reihungen industriell erstellter Massenartikel zu Ordnungsgefügen, während Manzoni und Klein mit monochromen Objekten experimentieren.

Klein, Meister des vierten Dans in der japanischen Kampfsportart Judo, dem sanften Weg, wendet das Konzept des durch Nachgeben Siegenden dieser Wurftechnik für die Übertragung von Farbe auf einen Malgrund an. Die mit Kleins patentiertem Blau bestrichene Frau hinterlässt die Spuren ihres Körpers, abgedrückt auf dem Bildträger, als Dokumentation ihres performativen Aktes. Der Künstler, der den Pinsel als zu psychologisierendes Malutensil ablehnt und den Farbroller bevorzugt, lässt die Aktion mitunter musikalisch mit einem anwesenden Orchester untermalen, das gleichbleibende Tonstrukturen produziert, und nennt das Stück „Monotone Symphonie“. Er liebt die ekstatische, unmittelbare Emotion und teilt dies der Welt 1960 mit seinem Sprung in die Leere mit, bei dem er mit weit geöffneten Armen, den Oberkörper nach oben gerichtet, aus dem Fenster eines ersten Stockwerkes springt, ohne ersichtlichen Schutz nicht auf dem Straßenbelag aufzuschlagen. Die Photographie dieser der Schwerkraft entgehen wollenden Performance geht um die Welt. „Komm mit mir in die Leere“, so besingt er seine Frau, legt seinen schwarzen Gürtel aus gesundheitlichen Gründen ab und stirbt zwei Jahre später an einem letzten Herzinfarkt, bedingt durch die seinem geliebten Blau entsteigenden giftigen Dämpfe.

iir, december 2024